Die XP Days in Hamburg Ende November 2008 waren eine spannende Veranstaltung mit vielen interessanten Vorträgen, Diskussionen, Gesprächen und abendlichen Events. Am zweiten Haupttag gab es zum Abschluß eine Diskussion im Fish-Bowl-Format, moderiert von Andreas Schliep, mit dem provokanten Titel: "XP ist für Träumer, Scrum für Geschäftemacher?"
Diverse Scrum-Coaches unterhielten sich, teils kontrovers, aber immer fair, mit Vertretern der Extreme-Programming- (XP-) Bewegung darüber, ob Scrum, das für sich in Anspruch nimmt, auch außerhalb von Softwareprojekten ein gut anwendbares agiles Vorgehensmodell für Projekte aller Art zu bieten, innerhalb des angestammten Bereichs von Software-Entwicklungs-Projekten überhaupt ohne den Einsatz von XP-Praktiken funktionieren könne.
Die These der XP-Vertreter (z.B. Tammo Freese) war, XP funktioniere sehr gut ohne Scrum, umgekehrt sei das aber nicht der Fall. Inkrementelles Arbeiten ohne XP-Praktiken sei nicht sinnvoll möglich.
Scrum-Evangelisten, wie z.B. meine Wenigkeit (Alexander Kriegisch), wiesen darauf hin, daß Scrum-Projekte auch oft schon ohne Pair Programming, Test First inkl. Baby Steps und Story Cards erfolgreich waren. D.h. aber nicht, daß wir darauf verzichten möchten, diese Dinge einzusetzen - wir mögen Sie ja, denn sie können sehr hilfreich sein. Sie sind nur nicht zwingend erforderlich aus unserer Sicht. Ich erwähnte auch, daß in größeren Projekten oft noch andere Bereiche beteiligt sind als nur Entwicklerteams und daß diese wenig von gewissen XP-Praktiken hätten, sehr wohl aber von Scrum-Prinzipien. Die meisten Scrum-Coaches vertraten auch die Meinung, daß das Projektmanagement Fragen aufwerfe, die Scrum besser beantworten könne, insbesondere wenn es dann noch um die Orchestrierung mehrerer Teams geht. Ich warb insbesondere auch darum, Scrum nicht als Gegner von XP zu betrachten, sondern als Partner, denn XP-Praktiken innerhalb einer Scrum-Projekthülle funktionieren ja immer wieder hervorragend. Beide Methoden profitieren voneinander, denn Scrum kann Auftraggeber auf Management-Ebene überzeugen, agil vorzugehen und bietet ihnen einen Rahmen und passende Reporting-Mechanismen.
XP alleine verkauft sich seit jeher viel schwieriger, da es zwar Kundenprobleme löst, aber doch eher Entwickler adressiert und fasziniert. Es ist auch schwer, XP vollständig zu erlernen und umzusetzen. Diese Hürde ist gleichzeitig eine Hemmschwelle. Ich vertrat auch die Ansicht, daß in vielen Projekten, wo heute innerhalb der Software-Entwicklung XP-Praktiken angewandt werden, diese überhaupt nur deshalb Anwendung finden, weil sie gleichsam unter dem Deckmantel und im Schutz eines Scrum-Vorgehensmodells stattfinden. "XP pur" als Alternative ließe sich in vielen Fällen so gar nicht verkaufen aus den zuvor genannten Gründen. Insofern profitiert XP von Scrum und Scrum-Entwicklerteams profitieren von XP-Praktiken. Es ist eine Win-Win-Situation, und darüber sollten wir uns freuen, anstatt einander in die Suppe zu spucken.
Nebenbei gesagt: Sowohl Kent Beck als auch Ken Schwaber und Jeff Sutherland haben das Agile Manifest gleichermaßen unterschrieben. Daran sollten wir uns ab und zu erinnern. Wir glauben alle an die gleichen agilen Werte.
Vier Scrum-Coaches haben den Freitagabend direkt im Anschluß an die Diskussion übrigens genutzt, um sich mal ein bißchen auf dem "Hamburger Dom" der hanseatischen Rummelplatz-Atmosphäre hinzugeben (spektakulär: Vierfach-Looping-Achterbahnfahrt bei eisiger Kälte). Als wir dann an diesem netten Stand vorbei kamen, wo man sich Lebkuchenherzen nach Wunsch beschriften lassen kann, haben wir uns spontan entschieden, den Extremen Programmierern ein kleines Friedensangebot bildhaft zu übermitteln - siehe unten. Das Corpus Delicti hängt übrigens immer noch unbeschädigt in meiner Wohnung.
Hey XP-Gemeinde, wir Scrum-Coaches haben Euch lieb!
P.S.: Danke für die Bilder an Detlef Buder, der zum Glück eine Kamera dabei hatte.